Der goldige Fuss

Sehbehinderter Pietro am Computer der mit elektronischen Hilfsmitteln ausgestattet ist

Mit dem grünen Star lebte der 25-jährige Pietro schon seit seiner Geburt, er hatte ihn in seinem Sehvermögen auch nie gross eingeschränkt. Ganz im Gegenteil: Pietro spielte leidenschaftlich Fussball, zuerst in Italien, dann bei den Junioren des FC St.Gallen, Rorschach und Wittenbach. Mit seiner guten Technik hätte er es vermutlich weit bringen können, wäre da nicht der Kreuzbandriss gewesen, der seine sportlichen Ambitionen jäh stoppte. Und als wäre das nicht genug, änderte sich auch das mit dem grünen Star schlagartig.

Im Jahre 2011 wird Pietro auf dem Schulhausplatz tätlich angegriffen, dabei löst sich seine Netzhaut ab. «Zuerst dachte ich, es sei nur eine Hirnerschütterung», erzählt Pietro. Der Augenarzt stellt jedoch fest, dass der grüne Star durch den Sturz vorzeitig ausgebrochen ist. Trotz mehrerer Operationen verbessert sich seine Situation nicht. Heute sieht Pietro auf dem rechten Auge noch fünf Prozent, auf dem linken zehn. Durch die Sehbeeinträchtigung kann der junge Mann die Matura nicht abschliessen, und so kommt er schliesslich zur obvita in St.Gallen. Hier absolviert er die KV-Lehre im Office Dienstleistungen.

Pietro unterwegs mit dem weissen Stock

Trotz dieser Schicksale lässt Pietro den Kopf nicht hängen: «Mein Ziel ist es, später im ersten Arbeitsmarkt tätig zu sein. Dank der Ausbildung bei obvita werde ich das auch schaffen.» Hier bekommt er wertvolle Unterstützung und lernt Taktiken, wie er die Aufträge am besten erledigen kann. «Heute habe ich alle Werkzeuge zur Hand, um trotz Seheinschränkung die KV-Lehre absolvieren zu können.» Pietro hat auch schon konkrete Pläne für die Zukunft. Er will einen guten Lehrabschluss schaffen, danach eine Anstellung im 1. Arbeitsmarkt finden. Zudem strebt er Weiterbildungen und ein Kaderdiplom an.

Seine Leidenschaft für den Fussball ist ungebrochen. Noch heute spielt er mit Freunden, beeindruckt mit seinen guten Pässen, obwohl er nicht mehr viel sieht. Deshalb lautet sein Spitzname auf dem Feld «goldiger Fuss». Am Bildschirm verfolgt er sein Lieblingsteam Inter Mailand, kaum ein Spiel verpasst er. Neben dem runden Ball gibt es aber noch eine weitere Leidenschaft: Pietro liebt es zu kochen. «Ich versuche, die Tradition mit Erfindungsgeist zu verbinden und eine gute Balance zwischen Säure, Süsse und Bitterkeit hinzukriegen». So könnte man auch sein Leben bis anhin beschreiben: mal süss, mal bitter, mal sauer. Aber Pietro nimmt es mit einer Prise Humor und einem grossen Schöpflöffel Optimismus. Das Leben hat ihn gelehrt: Man kann es sich immer wieder selbst schmackhaft machen, wenn man die guten Zutaten erkennt und sie sich zunutze macht.

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